▶ DR. SYLVIA BLEZINGER
Ein neues Konzept für Patienten und die Zusammenarbeit des Personals wurde im Kantonsspital Uri umgesetzt. In wenigen Wochen wird es eröffnet.
Der Neubau des Kantonsspitals ist das grösste Hochbauprojekt, das Uri je umgesetzt hat. Es soll die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung auf Jahre hinaus sichern. Architektur, Gestaltung, Ausführung: Der Neubau des KSU ist durchdacht und auf die heutigen und künftigen Bedürfnisse im Kanton Uri ausgerichtet. Rund um den Neubau entsteht ein neuer begrünter Park für die Öffentlichkeit.
Am 24. September 2017 haben 85,5 Prozent der Urner Stimmbevölkerung dem Baukredit über 115 Millionen Franken für den Um- und Neubau des Kantonsspitals zugestimmt. Der Spatenstich fand am 5. April 2019 statt. Am 25. Juni 2022 wird der Neubau mit dem Tag der offenen Tür eröffnet. Entstanden ist ein neues Spital mit kurzen und klaren Wegen, mehr Privatsphäre und moderner medizinischer Infrastruktur. Dazu gehören:
❱ 3 Operationssäle
❱ 2 Pflegestationen
❱ Privatsuiten (31 m2)
❱ 15 Einzelzimmer für Halbprivat-Versicherte (24 m2)
❱ 20 Zweibett-Zimmer für obligatorisch Krankenversicherte (31 m2)
❱ 23 Betten in einer hybriden Tagesklinik (9 Zimmer mit 2 Liegen und 5 Zimmer mit einer Liege)
❱ Frauenklinik und Geburtenabteilung
❱ Zeitgemässe Behandlungs- und Therapieräume
❱ Öffentliches Restaurant mit Kaffeebar
❱ Grosse grüne Parkanlage
❱ Fitnessraum
❱ Chill Rooms
❱ Und – nur noch Grossraumbüros!
Im Kantonsspital wurde der Wandel im Bau zementiert: Kultur, Prozess und Zusammenarbeit. Wo irgend möglich, soll übergreifend gearbeitet werden. Es gibt keine zugewiesenen Räume mehr. Für den Bau bedeutet dies beispielsweise, dass in allen Untersuchungszimmern medizinische Gase zur Verfügung stehen. Sekretariate wurden abgeschafft. Jede der vier Kliniken hat jeweils noch eine Assistenz. Und, ja, auch der Direktor Fortunat von Planta schreibt jetzt seine Mails selbst.
Direktor von Planta ist begeistert vom Prinzip des Lean Management und Kaizen (fortlaufende Entwicklung/Verbesserung). Wobei er dem im Virgina Mason Medical Centre umgesetzten Konzept durchaus kritisch gegenüber steht. Wie so oft liegt der Goldstandard irgendwo dazwischen. So weit wie möglich soll die Organisation durch Technik unterstützt werden. Mit Apps erfolgt die Kommunikation im Spital schnell, effizient und disziplinübergreifend.
Vorbereitet auf kurzfristige Überlastung und neue Entwicklungen
In der Schweiz werden aktuell nur etwa 30 Prozent der Eingriffe ambulant durchgeführt. In anderen Ländern sind das teilweise über 60 Prozent. In Erwartung, dass in absehbarer Zeit auch in der Schweiz deutlich mehr ambulante Operationen stattfinden, wurde die Tagesklinik relativ gross geplant. Mit 23 Plätzen lässt sie sich zudem schnell zu einer Akutstation umnutzen. Es ist möglich, 50 Prozent der Tagesklinik zu isolieren und die drei Beatmungsplätze können kurzfristig auf 13 Plätze erhöht werden
In Erwartung neuer Techniken haben benachbarte Räume Leichtbauwände, die man leicht herausnehmen kann, um beispielsweise grössere Geräte zu platzieren.
In den letzten drei Jahren „entstanden“ zusätzlich strategische Freiflächen. Diese waren nicht von Beginn an geplant. Hier wurde die Erfahrung vom Spital Limmattal umgesetzt und die durch die Prozessoptimierung frei werdenden Räume explizit nicht weiter verplant. Strategie und Gebäude wurden auch während der Planung laufend angepasst. Dies hat sich so bewährt, dass diese Vorgehensweise – auch entsprechend dem Prinzip des Kaizen – weitergeführt wird. „Wir werden nie fertig sein“, sagt von Planta. „Und das ist gut so“.
Outsourcing und Standardisierung
Wäscherei, Zentrallager, einige Aufgaben der Personalabteilung und die IT-Hardware sind im Neubau nicht mehr integriert, sondern extern organisiert. Eine Just-in-Time-Logistik garantiert die Materialversorgung, ohne Platz für Lagerhaltung zu blockieren. Das Material wird via Handy angefordert. Standardisieren und Industrialisieren ist das Prinzip der Optimierung, sodass das Materialsortiment jetzt nur noch die Hälfte des bisherigen Sortiments ausmacht. Und dazu ist die Grenze des Möglichen noch lange nicht erreicht.
Kurze Wege und gut geplante Signaletik
Kurze Patientenwege im Neubau waren dem Kantonsspital so wichtig, dass sie Thema bei der Ausschreibung waren. Allerdings gab es auch eine Auflage des Kantons über die Nutzung eines Gebäudes von 1997, sodass dies nicht abschliessend gelungen ist.
Besonders bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Spitalführung die Signaletik so ernst nimmt wie es in allen Spitälern (und anderen Einrichtungen) wünschenswert wäre. Die Signaletik hatte so das nötige Gewicht, um nicht nur als Wegeleitung, sondern auch als Ausdruck der Corporate Identity zu wirken. Zusätzlich zur Beschilderung gibt es überall noch Bildschirme, auf denen aktuelle Änderungen schnell zu sehen sind
Und wie sieht es das Personal?
Oft genannte Faktoren bei Befragungen zur (Un-) Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz sind die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Organisationseinheiten, ein steiles hierarchisches Gefüge sowie die unzureichende Wertschätzung, welche sich die einzelnen Berufsgruppen entgegenbringen. Das soll sich ändern, entschied das KS Uri. Doch zur Abschaffung der Hierarchie musste zunächst eine andere Hierarchie geschaffen werden: Ein CEO ersetzte das System des „Primus inter pares“. Doch das heisst nicht, dass der CEO neue Privilegien besitzt. Im Gegenteil.
„Bei uns gibt es keinen Personenkult“, sagt CEO von Planta, der seit 2013 tätig ist. Das gesamte Personal ist per Du miteinander. Persönliche Privilegien wie Parkplätze wurden abgeschafft. First come, first park, bedeutet dies nun. Nicht für alle waren diese Änderungen tragbar. „Ich hatte nicht erwartet, dass wir 20 Prozent des Personals verlieren würden. Ich hatte gehofft, dass wir mehr halten könnten. Allerdings haben wir mit dem neuen Konzept ebenso viele neue, engagierte Kräfte gewinnen können“, sieht von Planta die positive Seite. Wichtig während des Prozesses war auch die Transparenz der Entscheidungen. „Man muss nur ehrlich sein“, fasst es von Planta zusammen
Was würden Sie in Zukunft anders machen, Herr von Planta?
Aus der Not wurde eine Überzeugung. Nachdem die Planung bereits fast abgeschlossen war, mussten noch 28 Millionen Franken, fast ein Viertel der geplanten Summe, eingespart werden. Fortunat von Planta ist inzwischen davon überzeugt, dass sogar noch mehr möglich gewesen wäre. „Es ist nicht zwingend ein Nachteil, wenig Geld zu haben. Das führt zwangsläufig zu schlankeren Prozessen“, bestätigt er. Für die Untersuchungsräume der Orthopädie wären 11 m2 ausreichend, eine Tagesklinik direkt neben dem OP würde die Wege noch weiter verkürzen und die Zentralsterilistation wäre im Keller besser platziert. Und die Digitalisierung ist (schweizweit) noch in den Kinderschuhen. Insgesamt findet der Direktor das Projekt jedoch ausgesprochen gut gelungen: „Mit unserem Konzept erwarten wir, dass wir viel Patienten wieder in den Kanton zurückholen.“
Ob es so geschieht, wird die Zukunft zeigen. Man mag dem engagierten Team im Kanton Uri jedoch den Erfolg gönnen!
❱ Eine exklusive Besichtigung des interessanten Neubaus in Altdorf mit dem Spitaldirektor und dem Architekten (Mark Darlington) ist im Rahmen der Konferenz „Das Spital der Zukunft“ vom 20. bis 22. Oktober möglich.
Erschienen in der Fachzeitschrift Heime und Spitäler (Ausgabe 2 / Mai 2022). Den Artikel als PDF herunterladen.