▶ DR. SYLVIA BLEZINGER
Es ist eigentlich ganz einfach, die Prozesse in der Sterilgutversorgung zu optimieren. Eigentlich. Denn die Prozessoptimierung findet idealerweise statt, bevor die IT geplant und der Bau in Beton gegossen ist.
Der fortlaufende medizinische Fortschritt hat zu einem intensiveren Einsatz von Technik in den OP-Sälen und neuen Raumkonzepten wie dem Hybrid-OP geführt. Oft wird der Betrieb der neuen Infrastruktur kaum detailliert skizziert. Ein logistisches Betriebskonzept entsteht erst kurz vor oder während des Betriebs. Das Ergebnis sind ineffiziente Prozesse, die um bestehende Strukturen herum gestaltet werden müssen. Dies führt zu gravierenden Störungen und finanziellen Verlusten.
Der erste Schritt bei Neu- oder Umbauprojekten sollte immer die Erhebung der Ist-Daten sein. Dazu müssen aktuelle Leistungs- und Kapazitätsdaten aller relevanten Bereiche ermittelt und plausibilisiert werden. Dies schliesst alle logistikrelevanten Objekte wie Personal, Patienten, Betten, Material, Gerätschaften und deren Bewegungen ein. Die bestehenden Ver- und Entsorgungsprozesse zu visualisieren, gehört ebenfalls dazu. Die OP-Logistik hat Auswirkungen auf alle vor- und nachgelagerten Prozesse, also auch die Einkaufsabteilung, Apotheke oder AEMP.
Der zweite Schritt sind die zukünftigen Mengengerüste, wie die Anzahl geplanter Operationen, anwesende Mitarbeiter und einzusetzende Materialien und Gerätschaften. Daraus ergeben sich die entsprechenden Auswirkungen auf den Flächenbedarf. Empfehlenswert ist es, Plan- und Prognosedaten in mindestens drei Szenarien darzustellen. Dies macht es möglich, Kapazitätsengpässe rechtzeitig zu erkennen.
Die Basis für das Raum- und Funktionsprogram
Auf Basis eines logistischen Betriebskonzepts kann dann das Raum- und Funktionsprogramm erstellt werden, um langwierige und teure Umplanungsphasen zu verhindern.
Architekt Sebastian Meuschke (Metron Architektur AG) sagt dazu: «Die logistische Versorgung des OP stellt eine komplexe Prozesskette dar. Je früher der konzeptionelle Gesamtprozess mit allen involvierten Abteilungen und Personen definiert werden kann, umso besser lässt sich dieser in der baulichen Planung spiegeln und integrieren. Sollte sich erst in der späteren Realisierung herausstellen, dass es Anpassungen an den infrastrukturellen Rahmenbedingungen braucht, lässt sich dies – falls überhaupt – nur mit deutlichem Mehraufwand ändern.»
Dafür sind zwar zu Projektbeginn hohe zeitliche und finanzielle Ressourcen notwendig, was sich jedoch positiv auf die gesamte Projektdauer und -kosten auswirkt.
Eine Möglichkeit zur effizienten Flächennutzung bietet der Einsatz rollender Lagerschränke, teilweise ausgestattet mit RFID-Technik. Analog zum Fallwagenprinzip können Materialien wie Implantate oder Anästhesiebedarf bedarfsgerecht und situationsbezogen eingesetzt werden, ohne dauerhaft wertvolle Fläche zu belegen.
Auch das Kantonsspital Baden hat auf eine frühzeitige Prozessberatung im Rahmen des Neubaus gesetzt und die zukünftige Fallwagenlogistik bereits im Bestand eingeübt.
Warum Fallwagen?
Im sogenannten Fallwagenlager werden Siebe und OP-Materialien zentral gelagert. Die Versorgung der OP-Säle erfolgt durch Logistikpersonal mittels IT-gestützter Fallwagenlogistik. Das Universitätsklinikum Tübingen hat gemeinsam mit seinem Projektpartner Gallmann & Schug 75 Prozent weniger Dokumentationsaufwand im Zentral-OP (ZOP) erzielt. Wie? Einfach den Barcode auf medizinischen Ge- und Verbrauchsmaterialien gescannt. Das Uniklinikum begann damit, die Logistikprozesse vom Eingang der Materialien bis zu ihrem Verbrauch im ZOP zu optimieren. Klar definierte saalnahe Lager sichern weiterhin den schnellen intraoperativen Zugriff auf spezielle Siebe und Materialien.
Ergebnis:
❱ Infrastruktur (Fläche) für den OP
❱ OP-Fachpflege von pflegefremden Aufgaben entlastet
❱ Optimierung der OP-Logistik
❱ Transparenz in den Materialverbräuchen und der Nutzung des Sterilguts Bereits innerhalb eines Jahres amortisierte sich der finanzielle Aufwand.
Automatisierung, IT und Robotik in der Sterilgutversorgung
Die IT-gestützte Fallwagenversorgung ist in nahezu allen Neu- und Umbauvorhaben im OP-Bereich das gesetzte logistische Ver- und Entsorgungsprinzip für Sterilgut und medizinische Verbrauchsmaterialien.
Viele Fachplaner sehen die Nutzung von autonomen mobilen Robotern (AMR) bis in den OP und auf Station als erreichbare Zukunftsversion. Möglicherweise sogar als Standard bereits ab 2030. Entsprechend planen sie dies in aktuell laufende Projekte (Eröffnung dann in 5 – 10 Jahren) konkret ein.
Die Ver- und Entsorgung von OPs mit fahrerlosen Transportsystemen (FTS) sind ebenfalls bereits in Planung. Die erste Klinik in Deutschland, die Roboter zur hygienischen Bettenreinigung einsetzt, ist das Klinikum Stuttgart. Es spart so Personal, Wasser und Chemikalien. Andere Kliniken werden sicher folgen
Ab welcher Grösse lohnt sich ein Fallwagenkonzept?
Die Antwort, ab welcher Grösse sich ein Fallwagenkonzept lohnt, ist wie so oft: Es kommt darauf an. Alexander Schug, Gesch.ftsführer bei Gallmann & Schug Consulting: «Unsere primären Kunden liegen um die 300 bis 1000 Betten. Einen Neubau der Privatklinik in Wien planen wir allerdings auch mit Lagerlift und Fallwagen. Formal hat das Haus nur 120 Betten, aber 6 OP-Säle.»
Falls im Laufe der Planung doch gegen Fallwagen entschieden wird, ist dennoch ein Ziel erreicht: Frühe Prozessplanung in der Logistik!
Erschienen in der Fachzeitschrift Heime und Spitäler (Ausgabe 2 / Mai 2025). Den Artikel als PDF herunterladen.